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Der Bewerbermarkt 2025: zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Jetzt Neu: Unser Learncast als Audio

„Wer weiterhin nur verwaltet, wird bald nichts mehr zu besetzen haben.“

– Nicole Truchseß

Verwaltung war gestern oder warum modernes Recruiting neu gedacht werden muss

„Schicken Sie Ihre Unterlagen, wir melden uns.“
„Bitte füllen Sie diesen Bogen aus.“
„Wir nehmen Sie in unseren Bewerberpool auf.“
„Das Ganze muss jetzt erst nochmal zum Chef.“

Klingt vertraut? Dann hören Sie die Verwaltungsdenke von gestern. In einer Zeit, in der Talente rar sind, wirken standardisierte, langsame oder unpersönliche Prozesse wie Bewerbungskiller.

Studien zeigen:

63 % der Bewerber nennen das Gehalt als Top-Kriterium.

53 % wünschen sich eine 4-Tage-Woche.

51 % erwarten Homeoffice.

Gleichzeitig reagieren viele latent wechselwillige Talente nicht mehr auf klassische Stellenanzeigen.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Viele Unternehmen halten an bekannten Wegen fest – selbst wenn diese keine Wirkung mehr zeigen.
„Wir haben schon alles versucht!“, heißt es oft. Doch bei näherem Hinsehen bedeutet „alles“ meist nur: mehr vom Selben – mehr Anzeigen, mehr Plattformen, aber ohne neue Strategie.

Das ist, als würde man in die falsche Richtung laufen und dabei das Tempo erhöhen.
Wer den Bewerbermarkt heute verstehen will, muss Recruiting neu denken – weg vom Verwaltungsdenken, hin zu strategischer Personalgewinnung.

Recruiting ist keine HR-Nebenaufgabe mehr,
es ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.

Recruiting ist das neue Verkaufen

Talente sind keine Bittsteller mehr.
Sie prüfen Unternehmen wie Marken, vergleichen Benefits, googlen Arbeitgeberbewertungen und erwarten Wertschätzung ab dem ersten Klick.

Das heißt konkret:

Bewerbungsprozesse dürfen keine Blackbox sein – Schnelligkeit, Klarheit und Verbindlichkeit sind Pflicht.

Bewerberkommunikation muss menschenorientiert, digital und dialogisch sein.

Die Candidate Journey beginnt lange vor der Bewerbung – Arbeitgebermarke, Karriereseite und Social Media sind Teil der Vorauswahl.

Übersehen statt gewonnen oder wie vorhandenes Potenzial vergeudet wird

In der öffentlichen Debatte wird der Fachkräftemangel häufig als statistisches Problem dargestellt:
Zu wenige Menschen für zu viele offene Stellen.

Die Lösung sucht man in Digitalisierung, Automatisierung, Zuwanderung und KI.
Was dabei oft übersehen wird: Es gibt Menschen, deren Potenzial zu wenig genutzt wird.

Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes (April 2024) zeigen:

Fast die Hälfte aller berufstätigen Frauen arbeitet in Teilzeit (47 %).

Nur jeder zehnte Mann tut das (11 %).

Frauen leisten mehr als doppelt so viel unbezahlte Care-Arbeit wie Männer (52 % vs. 20 %).

Ein riesiges Erwerbspotenzial wird also durch strukturelle Barrieren, fehlende Flexibilität und veraltete Führungsbilder ausgebremst.

Was das mit Recruiting zu tun hat? Alles.

Viele Frauen, insbesondere zwischen 40 und 60 Jahren, wollen arbeiten, sich entwickeln und Verantwortung übernehmen – finden aber oft:

keine qualifizierten Teilzeitstellen,

keine Führung in Teilzeit,

und kaum Wertschätzung für Lebenserfahrung und familiär erworbene Skills.

Gleichzeitig suchen Unternehmen nach loyalen, belastbaren und erfahrenen Fachkräften.
Das ist nicht nur ein Widerspruch, sondern eine verpasste Chance – und langfristig ein gesellschaftliches Problem.

Der Fachkräftemangel ist oft auch ein Mangel an Führung

Wir haben viele kompetente Frauen und Menschen mit Erfahrung –
was fehlt, sind Strukturen, die beides willkommen heißen.

Viele würden gerne länger oder wieder arbeiten, aber nicht in klassischen Vollzeitmodellen.
Und nein, Arbeitszeit allein entscheidet nicht über den Mehrwert, den jemand einbringen kann.

Unternehmen bieten oft „alles oder nichts“, aber keine lebensphasengerechten Optionen –
selbst in Branchen, deren eigenes Geschäftsmodell auf Flexibilität beruht.

So werden Menschen mit wertvoller Erfahrung aussortiert statt eingebunden.

Oldies but Goldies oder, warum diese Generation unterschätzt wird

Wenn über den Arbeitsmarkt der Zukunft gesprochen wird, fällt meist nur ein Name: Generation Z.
Doch auch die Generation 50+ ist Teil des Marktes – stabil, erfahren, loyal.

Laut XING/forsa-Studie (2024) fühlen sich über ein Drittel der Ü50-Fachkräfte im Bewerbungsprozess diskriminiert – etwa durch:

Aufgaben unter Niveau,

fehlende Entwicklungsmöglichkeiten,

oder mangelnde Wertschätzung.

Frauen sind davon besonders betroffen.
Das ist nicht nur sozial problematisch, sondern auch betriebswirtschaftlich fatal.

Die Stärken der Generation 50+

Jahrzehntelange Praxis und Branchen-Know-how

Loyalität und Verlässlichkeit

Bereitschaft, jüngere Kolleg:innen einzuarbeiten oder als Mentor:innen zu begleiten

Teamdenken statt Ego – gewachsene Konfliktfähigkeit

Viele glauben, mit 50 endet die Lernbereitschaft – doch das Gegenteil ist der Fall: Erfahrene Mitarbeitende wollen gestalten und relevant bleiben.

Altersdiversität als Wettbewerbsvorteil

Viele Unternehmen vermeiden Altersdiversität aus Angst vor „Kosten“ oder „fehlender Digitalaffinität“. Sie schreiben Stellen aus für ein „junges, dynamisches Team“ – und schließen damit unbewusst ganze Generationen aus.

Das ist ein fataler Denkfehler.

Laden Sie künftig gezielt erfahrene Talente ein, z. B. mit Formulierungen wie:

„Wir freuen uns besonders über Bewerbungen von Menschen mit Berufserfahrung.“

Schaffen Sie altersgemischte Teams, fördern Sie gegenseitiges Lernen und bieten Sie Entwicklungsmöglichkeiten statt Abstellgleise.

Silver Worker sind keine Notlösung, sondern wertvolle Sparringspartner.

Fazit: Vom Denken in Lebensphasen zum Handeln in Potenzialen

Die Generation 50+ ist nicht das Relikt der Arbeitswelt, sie ist ihr unterschätztes Rückgrat.

Recruiting muss aufhören, in Lebensphasen zu denken – und anfangen, in Potenzialen zu handeln.

Damit dieser Umdenkungsprozess gelingt, muss das Thema zur Chefsache erklärt werden.